DIE ZWILLINGSPARABEL

Rainer Strege - Jürgen Strege

Holzbildhauer

Rainer Strege: Nach ihm ist das Stregehaus in Kaditzsch benannt.

Wir standen im Wettbewerb: Rainer, Norbert Wagenbrett und ich. Meist hatte Wagenbrett die Nase vorn mit seinen Portraits, aber nach dem Stregehaus wars erst mal eindeutig zugunsten von Rainer. Nachdem ich kurz hintereinander fünf Bücher in zwei Sprachen und ein Theaterstück publiziert hatte, denke, neigte sich die Wippe mir zu. Seitdem will Wagenbrett nix mehr von mir wissen.

 

Aber das begann anders: Mitte der 90er war ich in Dreiskau-Muckern bei einem Kunstsymposium dabei und hatte dem Rainer unabsichtlich einen Haufen Arbeit gemacht. Zur krönenden Abschlußfeier suchten wir einen geeigneten Raum - die Garage. Rainer wand sich und suchte Argumente, weswegen die Garage vollkommen ungeeignet ist, jedoch er war schnell überstimmt. Dann sah ich ihn zwei Tage mit der Sackkarre durch die Gegend schieben und dachte schon, was macht der denn? Er hatte einfach die Garage als Lager für seine Skulpturen benutzt und mußte sie nun räumen. Ich lief zu ihm rüber und sagte: "Mensch Rainer, hättste das doch gleich gesagt. Die Garage ist ja nun wirklich nicht so recht geeignet." Rainer, der inzwischen alles in den Schweinestall bugsiert hatte, sagte nur noch: "Nu binsch fertsch!"

Ich kannte sie beide noch von der Fachschule für angewandte Kunst in Schneeberg. Sie waren die Künstler, ich der Heizer. Sie mußten zwar immer mal frieren, aber das hatten sie sich selber zuzuschreiben. Schließlich feierten sie endlose Parties und luden mich dazu ein.

Vorher waren sie Theatertischler an der Leipziger Oper, machten zwei drei Zeichnungen, mit denen sie sich bewarben und fuhren nach Schneeberg. "Holzwürmer", naja, können wir einen brauchen. Sie verwechselten die Zeichnungen oder die Namen oder die Köpfe, denn schließlich konnte man die Zwillinge nur schwer unterscheiden. Und nahmen den falschen: Rainer.

Die Mutti, die mit war, kriegte das spitz und trabte zum Direktor und machte ein mütterliches Faß auf, aber der blieb hart: Wir nehmen nur einen. Sie ließ nicht locker, bis sich der arme Kerl trotz Parteidisziplin weichklopfen ließ und zusagte, im nächsten Jahr den andern zu nehmen: Jürgen.

Dolle Muddi! Kann man nur sagen. Noch doller war, daß ich bis dato noch nie zu Streges Geburtstag war. Das hat folgenden Grund: Da feiern die nämlich bei der Muddi. Ihren Geburtstag. Rainer, Jürgen und Muddi haben an einen Tag.

Das ist noch nicht alles, was zu dieser wunderbaren Zwillingsparabel gehört. Der eine fuhr Volxwagen, also brauchte der andre auch einen. Kein Problem. Der eine hatte `ne Monika, also brauchte der andre auch eine. Da die erste Moni Malerin war, mußte die zweite auch sowas sein. War nicht so leicht, eine aufzutreiben. Ich hatte den Auftrag, zum Symposium Leute ausm Ostblock einzuladen und so stieß ich auf eine Moonika aus Estland. Das war dann wohl die passende und die paßte dann auch zu Jürgen.

Die Zwillinge lebten bis zu ihrem 40. Lebensjahr zusammen und stritten sich gern, das gehörte einfach dazu. Einmal durfte ich dabei sein. In Dreiskau-Muckern gehörte zur künstlerischen Arbeit das Säubern des Kriegerdenkmales (is ja auch n Kunstwerq) und Rainer kam, um Jürgen zu holen. Ich sah ihm gerade beim Vergolden eines Steines zu und Jürgen weigerte sich: "Ich mache doch kein Kriegerdenkmal sauber!"

"Du kommst jetzt mit!", entschied Strege der Jüngere.

Da sich Jürgen nicht bewegte und auch Goldpinsel nicht aus der Hand legte, rüttelte Rainer an den Festen, die die Kunst bedeuten und zwar so stark, daß sich der eben vergoldete Stein zu bewegen begann und umkippte und zwar genau auf die Seite, die Strege der Ältere gerade vergoldet hatte. Dann trabte er ab, schimpfend über soviel Weichlichkeit und Weigerung.

Jürgen sah mich an, starr mit dem Goldpinsel in der Hand und sagte ganz ruhig und leise: Haste das gesehn?

Im Künstlerhof Dreiskau-Muckern mit Madame Carlut an der Kamera.

Kurz nach dem Symposium hatte Rainer wieder die Sackkarre in der Hand, diesmal schaffte er es in eineinhalb Tagen. Zwei Jahre später besuchte ich Eberhardt, der um die Ecke ein Haus gekauft hatte und Eberhardt pflasterte gerade die Hofstraße. Ich durfte auch einen Stein einklopfen und fand das toll, mal beim Straßenbau dabeigewesen zu sein. Wir kamen auf Rainer zu sprechen und Eberhardt zeigte mir seinen Schuppen. Da standen sie nun: Rainers Köpfe. Die gesammelte Skulpturensammlung. "Muß er aber in zwei Wochen abtransportiert haben. Ich decke das Dach und brauche den Raum. Er weiß nur noch nicht, wohin."

Die Streges wohnten auf einem Hof bei Eilenburg, in der Mühle von Lützschena, auf einem stillgelegten Stellwerk, hinterm Lindenauer Markt, im Stregehaus Kaditzsch, im Haus von Wagenbrett ohne Mietvertrag, bei Orsta Hydraulik neben dem Zoo und ich kennen keinen, der so oft umgezogen ist wie sie.

Die Sackkarre war immer dabei.

Rainer in Bimbo Town

 

 

 

 

 

 

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