Noch habe ich die Freiheit zu lieben

Premiere war im Herbst 1988 im Kulturtreff. Also ein Jahr vor der Wende. Es gab sogar eine Rezension von Moritz Jähnig im "Neuen Weg" dazu.

 

Inhaltlich wurde das Programm von Werner Bernreuther bereut.

Scan von einer erhaltenen Fotolaborkarte Größe A5.

Ich hatte einige Paßbilder gefunden, bastelte sie zusammen und zeigte sie Edith Tar. Sie rief bei Rainer Schade an.

Ich nahm die nächste Straßenbahn zum Clara-Park. Er entfernte eins von den Bildchen, so daß die "Reihe" logisch wurde, suchte aus einem dicken Buch mit 1000en von Schriften eine aus und empfahl mir für das Wort "Freiheit" den Schriftzug des gleichnamigen Halleschen SED-Blattes. Gesagt, getan. An der Grafikhochschule fummelte mir ein Mitarbeiter die Schriften auf einen Filmabzug (das mußte man ja alles noch per Hand machen) und dann gings ab zur Druckgenehmigungsstelle am Floßplatz. Da saß ein glatzköpfiger Baldsechziger, cool wie die Nacht und verwaltete den Stempel, aber bevors den Stempel gab, gings zum Zensor in Persona eines nicht unbedingt unnetten Rat-das-Bezirkes-Mitarbeiters.

"Liebende aller Länder, vereinigt euch", das stand in Abwandlung eines Wortes jeden Tag im ND. Er fragte, ob ich das wirklich so meine.

Ich baute vor und erklärte, das Plakat solle provozieren. "Von Ferne sieht das aus, als wäre es ein Plakat, das für die Freiheit von 5 netten Herren wirbt. Immerhin soll es Leute anlocken für die Konzerte."

"Das sieht man. Allerdings. Provokant."

Dann fummelte er am Schriftzug rum: "Da brauchen Sie die Genehmigung der Zeitung. Aus rein rechtlichen Gründen."

Das war mir zu viel. Die "Liebenden" gestrichen und nun auch noch die "Freiheit". Ich sagte ihm: "Wissen Sie, ich gehe heute abend ins Fotolabor und da habe ich morgen früh 200 Stück davon, ohne jeden Stempel und ohne daß ich jemanden fragen muß."

Das war nun ihm zu viel: "Bei mir hat bis jetzt jeder seine Druckgenehmigung bekommen!" Er war knallrot und ich ging.

Nein, ich fuhr: nach Halle. Traf niemanden an, aber schickte ein Schreiben mit der Anfrage. Drei Tage später die Antwort: "Wenn Sie die tiefe Bedeutung des Wortes Freiheit für Ihre Werbung mißbrauchen ..." Sie drohten mit Verfahren. Leider ist dieser Brief abhanden gekommen. Vielleicht taucht er aber doch wieder auf.

Aber ich war schneller als sie. Nach meinem Halle-Kurz-Trip besuchte ich eine Malerin, bat um Pinsel und Papier und verfremdete das Freiheits-Zeichen, ließ die Farbe einlaufen, als wäre es ein Graffity. Mit diesem Entwurf trabte ich zum Zensor und der guckte und sagte beiläufig: "Na, warum nicht gleich so." Ein Lächeln glitt ihm über die Wange und er gab seinen "Wilhelm" zu meiner offensichtlichen Provokation. Der Glatzkopf gab mir wortlos den Stempel dazu und ich schloß die Tür. Das mit den Liebenden hat ihn aber immer noch beschäftigt. Der meinte das wörtlich und dachte: Das geht doch gar nicht. Da ist doch der antifaschistische Schutzwall dazwischen.

Ich sollte noch mehr Glück haben. Wer mir die Adresse in der Brockhausstraße gab, weiß ich nicht mehr. Das war die Edel-Druckerei in Leipzig und sie machten eigentlich nur die Andrucke von Fotobänden. Also mal zehn Stück, aber höchstens. Die Kleinst-Auflage (die gar nicht so klein war) von 400 Plakaten, dazu Werbekarten, Postkarten und Kassettencover (das hatte ich nebenbei auf dem Druckgenehmigungsantrag erwähnt) machten sie für mich in einer 1-A-Qualität und wenn es in der ganzen DDR kein richtiges Schwarz gab, mein Schriftzug "Freiheit" war schwarz wie der Essenkehrer. Und wer ganz genau hinschaut, das zweite Bildchen ist ausm Wehrpaß rausgerissen und oben sieht man das, weil der Wehrstempel das Foto eingerissen hat. Aber der Drucker, genau und fleißig wie ein deutscher Handwerker, retuschierte es.

 

Scan von einem erhaltenen Exemplar des Kassettencovers. Unten rechts ist die Druckgenehmigungsnummer zu finden.

 

Und wirkungsvoll war es offensichtlich auch. In Delitzsch hing es nicht länger als eine Stunde, da kamen die netten Jungs vom Informationskombinat. Auch der Veranstalter wurde geimpft: er sollte sagen ich sei nicht ganz richtig im Kopf. Doch das Ding platzte. Einer der Gäste plauderte es aus und dann kriegte einer ein ganz rotes Rübchen.

 

Und in Riesa gabs einen Riesen-Gaudi. Ein überfüllter Saal und ein übereifriger Freiwilliger verschaffte mir einen streng geheimen Eintrag ins MFS-Register mit den Stempelchen der SED-Chefs von Riesa Dresden und nach Leipzig fuhren die Jungs dann ganz aufgeregt mit ihrem Lada und schlugen im Stadtkabinett für Kulturarbeit bei Stefan Gööck auf mit der ganzen Wut der Arbeiterklasse in ihren Fäustchen und verlagten ein sofortiges Verboth. Stefan erzählte es mir nach der Wende: "Da wackelte meine Stuhl und mein Glück war, daß inzwischen bei der Konzert- und Gastspieldirektion für dich zuständig war." Da gingen sie dann doch nicht mehr hin. Hatten sich wohl genug zum Rudi gemacht. Wenn mir das Dokument in die Hände fällt, stelle ichs hier rein.

 

 

 

 

 

 

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