LEIPZIGER LIEDERSZENE
ZUZEITEN DER DDR
LEIPZIGER LIEDERSZENE
MAGNITISDAT



Magnitisdat 1

Hubertus Schmidt am Mixer im Magnitisdat-Studio im Proberaum unterm Dach.

Foto: Andreas Liebich

Equipment: Rechts im Vordergrund das Klavier, im Hintergrund der Berliner Ofen (Kohleheizung). Rechts im Regal oben zwei Spulentonbandgeräte mit 19 cm/s – ein Tesla und ein russisches mit fünfpoligen Diodenkabeln, davor liegt eine ORWO-Bandschachtel. Regal unten links – Spannungsregler auf Transformatorbasis (war wg. ständiger Spannungs- und Frequenzschwankungen nötig), Mitte zwei Heim-Verstärker im Holzdesign, gekauft vom Ehekredit, rechts (nicht sichtbar) ein Plattenspieler, Regal unten ein High-End-Verstärker, Notenkladden und ein Kassettengerät.

magnitisdat-galgenlieder

Die Endprodukte.
Foto: Dieter Kalka

An dieser Stelle sollte Huberts Schmidt als Technikfreack sowie Aufnahme- und Studiodirektor durchaus eine extra Erwähnung finden, denn in den Jahren hat sich, wenn man sich die Liste ansieht, einiges angesammelt.

Wenn wir die Liederszene-Sendungen machen, greifen wir gern in seine Archivkiste, ohne sie wäre nicht viel aus dieser Zeit vorhanden.

Studiotechnik war in Leipzig eigentlich zur Genüge vorhanden. Jedes größere Klubhaus besaß sowas, unter anderem das Haus Leipzig, das Schauspielhaus natürlich auch. Diesen Techniker kannte ich, aber das war für ihn zu riskant, mich einzuladen. Ab Mitte der 80er fragte ich mich durch die Szene durch, wo man sowas aufnehmen könne. Einer meiner liebenswürdigen Spitzel hat diese Frage übrigens in seinem Bericht verewigt.

Nun war Hubertus, was Technik betrifft, dem Rest der Szene immer zwei Nasenlängen voraus, zwei Pinoccio-Nasenlängen: er besaß Spots und Bühnenvorhänge, später sogar Tauchspulenmikros, Analogmixer und Hammerboxen. Bei den besten Fotografen stand er im Blitzlichtgewitter. Er kannte die Drucker des Leipziger Ostens – die besorgten Deckschwarz für seine monströsen Poster. Er ließ sich Programmhefte designen und verkaufte sie. Vom Erlös speiste er in den besten Lokalen: Muscheln und Kaviar. Und er produzierte, da AMIGA im Dornröschenschlaf verharrte, seine Werke, zwar nicht auf Vinyl, aber auf Magnetband.

magnitisdat kalka

Foto: Dieter Kalka

Als „Studio“ stand Hubertus‘ Proberaum unterm Dach zur Verfügung, aufgestellt einige Galgen mit Mikros Marke Neumann & Co und dran angeschlossen ein Tonbandgerät Marke Tesla, 19er Geschwindigkeit. Dazwischengeschaltet ein Mischpult, an dem Susanne saß – oder er selber. Hubertus analysierte, dirigierte, gab den Rhythmus vor, fluchte, jubelte und holte aus jedem Nötchen das Maximale raus.

Die Titel wurden mit der Schere auseinandergeschnippelt und in die vorgesehene Reihenfolge gebracht – das war das Urband.

Überspielt wurde es auf ein zweites Spulentonband mit Speed 9,6 cm/s oder auf Magnetkassette. Die aber kostete 20 Ostmark, da konnte man praktisch nix mehr aufschlagen.

Eins dieser Bänder mit meinen Aufnahmen hatte Heinz-Martin Benecke durch den Eisernen Vorhang geschmuggelt – und darauf kam ein Plattenangebot an mich. Allerdings war der Brief aufgerissen. Die Geheimen wussten es also.

Vor einem Jahr hat mir „Moses“, ein Freund erzählt, dass ich zu einer Party eins dieser Bänder versteigert hätte. Bei 20 Ostmark angekommen boten er und der „Teufel“ um die Wette. Moses überbot ihn mit 25 Ostmark – was war schon Wucher. Und ich hatte Geld für die nächsten drei Pullen Rosenthaler Kadarka.

Hubertus hatte seine Verkaufsstrategien etwas veredelt. Bei ihm standen sie Schlange. Und er hatte genug im Kofferraum, wenns knapp wurde.

magnitisdat glasauge in seife

Foto: Dieter Kalka

Laut DDR-Gesetz war dieses Magnitisdat nicht einmal verboten.

Die Bonzen kamen nur nicht auf die Idee, dass man sowas machen könne.

Grafiker durften nur 99 Stück ihrer Drucke herstellen. Für unsere Tonprodukte galt das nicht.

Übrigens hatte ich schon 1987 bei der Beantragung der Druckgenehmigungsnummer eines Plakates gleich Werbekarten und Kassettencover mit beantragt. Das rutschte glatt durch.

Wenn ich Schmidt in den 80ern besuchte, so klebte er, während wir uns unterhielten, Briefmarken auf die Werbebriefstapel und wendete zwischendurch die Bänder oder Kassetten in seiner Technikanrichte. Dass Hubertus jemals im Bett lag und schlief – das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Er war ein Workoholic maximus.

Hier eine stolze Auswahl von Hubertus‘ Tätigkeit als Liederszeneproduzent:

Es begann mit dem „Reimann – Ensemble“, live in Meißen am 26.1.1974 (Gisela Schmidt , voc, Hansi Felber, git), dann nochmal das „Reimann – Ensemble“ im Klubhaus Freundschaft (Karl-Heine-Straße) am 18.2. 1975 (Gisela Schmidt, voc Michael Heilfort git). So gings weiter:

magnitisdat kalka - utopisches festival

Foto: Dieter Kalka
(siehe die Bemerkung unten: Werk gesetzlich geritzt, Verbreitung erwünscht)


* ‘‘Wollust und Verlust‘‘, „Reimann – Ensemble“ (Gisela Schmidt (voc), Andreas Reimann (voc), Hubertus Schmidt (p), studio schmidt oder so 1976. [[Samisdat|Magnitisdat]]

* ‘‘Abschied‘‘, Hubertus Schmidt, studio schmidt oder so, studio schmidt oder so 1980.

* ‘‘Glashaus‘‘, Hubertus Schmidt solo, studio schmidt oder so 1981.

* „Lied-Theater ‘‘schmidt oder so‘‘, „Galgenlieder“‚ studio schmidt oder so 1983.

* ‘‘Glasauge in Seife‘‘, Lied-Theater ‘‘schmidt oder so‘‘, studio schmidt oder so 1983.

* ‘‘In der Mülltonne geblättert‘‘, Lied-Theater ‘‘schmidt oder so‘‘, studio schmidt oder so 1984.
* ‘‘Hubertus Schmidt selbstredend‘‘, studio schmidt oder so 1985.

* „…und sage gar, was mein Begehren ist“, Duo Grütz/Schmidt‚ studio schmidt oder so 1986.

schmidt im studio

Hubertus Schmidt: Da sitzt er und hat ganz schön ville zu tun!
Foto: Andreas Liebich

* ‘‘22 Songs‘‘, Hubertus Schmidt mit Sigmund Kisant, git., studio schmidt oder so 1986.

* ‘‘Die blaue Blume‘‘, Menzel, Menzel, Mau‚ studio schmidt oder so 1987.

* ‘‘Unersättlich‘‘, Dietmar „Didi“ Voigt, (mit Massa Großwig)‚ studio schmidt oder so 1987.

* ‘‘Das utopische Festival‘‘, Dieter Kalka, studio schmidt oder so 1987.

* ''…und Manche lachten auch schlecht'', Duo Grütz/Schmidt‚ studio schmidt oder so 1989.

* ''Die Schimmelblume'', Jens-Paul Wollenberg, Studio Schmidt oder so 1988.

* ‘‘Noch habe ich die FREIHEIT zu lieben‘‘, Dieter Kalka, MC, Studio Schmidt oder so und Studio Peter Gläser 1988.

* „Sehnsucht nach Heimweh“, Werner Bernreuther‚ studio schmidt oder so 1989.

Hubertus Schmidt
Wikipedia - Website - Leipziger Liederszene - Sendung auf der Allgäuer Milchschleuder






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