JANUSZ STYCZEN

KAFFEE ZU BEIDEN SEITEN DES TODES

sie brachte ihm Kaffee, dachte, er schläft lange,

er war tot, war gestorben im Schlaf,

so unheilvoll hatte sie sich mit dem Kaffee verspätet,

sie wollte ihm mit dem Kaffee ans andere Ufer bringen

und zuschauen, wie seine Seele ihn trinkt,

wollte zuschauen, wie seine Seele ihn trinkt

hinter dem Tod hervor, die Frau, die nun schluchzt,

vielleicht küsst seine Seele dieses Schluchzen,

die Frau blickt auf die Tasse mit dem Kaffee

auf dem Nachtisch,

die Frau will diesen Kaffee nicht trinken,

vielleicht taucht die Seele des Toten gerade

ihre durchsichtigen Lippen in den Kaffee,

doch die Frau gießt den Kaffee nicht weg,

dieser Kaffee ist wie der Fluss Lethe, wie das Wasser des Vergessens,

die Frau sieht, dass der Schaum auf der Oberfläche

an den Rand der Tasse gezogen ist,

als habe die Seele des Toten wirkliche den Kaffee berührt,

die Frau beschließt dennoch, gemeinsam mit der Seele des Toten

den Kaffee zu trinken,

als sei das ihr letzter Kuss,

die letzte Liebkosung,

als wollte sie mittels des Todes die Säfte ihrer Liebe trinken,

vermischt, gewonnen aus der Leidenschaft

ihres ganzen Lebens,

die Leidenschaften eines ganzen Lebens hinterlassen solche Essenz

von Liebessäften,

sie beide trinken jetzt über den Abgrund

des Todes hinweg,

sie fühlt den Atem seiner Seele

und trinkt den Kaffee schnell, gierig,

als trinke sie seine Seele, solange sie noch da ist.

Aus: Groza wtajemniczenia, Warszwa 1996

Nachdichtung: Bettina Eberspächer

Janusz lernte ich in Zielona Gora zu einer Lesung im Pub "4 Rosen für Lusienne" - eine der Veranstaltungen der "Uniwersytet Poezjii" - kennen. Er stellte sich mir vor: "Ich heiße Januar". Styczen ist das polnische Wort für Januar.

Janusz ist eine der schillernden polnischen Dichterpersönlichkeiten. Er ist '39 geboren und gehört zur Generation um Rafal Wojaczek, den er seinerzeit als Dichter schätzte und unterstützte. Im Film über Wojaczek, der auch in einigen deutschen Programmkinos lief, spielt Janusz - sich selbst. Ich habe mir sagen lassen, daß die Aufnahmen in der Wohnung der Figur, die Janusz spielt, tatsächlich in seiner eigenen Wohnung gedreht wurden - und es wurde Wert auf Authenzität gelegt.

Januszs Gedichte sind fester Bestandteil polnischer Schulbücher. Im Ostragehege sind Gedichte, auch Essays von ihm publiziert, weitere Texte sind u.a. im Muschelhaufen zu finden..

 

 

 

 

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