DER BÄRTIGE SERAPHIM

Er hat vier Flügel

Zwei davon verhüllen streng den Körper

Das andere Paar

Ruht friedlich

Zu beiden Seiten ausgebreitet wie Mantelschöße

Zu sehen die Füße,

Nacht, am äußersten Rand von Stein und Licht.

Er stellt sich auf die Zehenspitzen

Leicht erhoben - der Kopf geneigt

Stellt er sich auf die Zehenspitzen, fast...

- Und das Gesicht? - fragst du.

- Das Gesicht? Er hat kein Gesicht.

Er könnte ein babylonischer Weiser sein.

Ein Phönizier vielleicht?

König der Stadt, Menschensohn von Karthago und Tyr, Melkart?

Der Bart kurz geschoren, ein Band im Haar, blau

Die Iris. Jedes Auge schaut für sich

In einen anderen Wachtraum der drei Welten. So hätten

Gaudapada, Swedenborg oder Eugrius von Pontus schauen können.

Unter dem rechten Flügel die Kontur einer Vogels, oder Sophia

Mit der Eule bekleidet?

Die rechte Hand, zornig

Mit der Innenseite zur ersten Welt hin gerichtet, als würde sie

Etwas fortschieben, oder als wolle sie

Meinen Schatten auf der Schatten auf der Säule verscheuchen

Ohne den Flügel einzusetzen

Pyrenäen, 1986

Nachdichtung: Bettina Eberspächer

Renata versuchte ich ebenfalls zu unserem deutsch-polnischen Poesiefestival einzuladen. Anscheinend hat mein Brief sie nie erreicht. Damals lebte sie gerade eine geraume Zeit in Frankreich. '97 lernte ich sie auf dem Poetendampfer kennen und habe über diese erste Begegnung ein Gedicht innerhalb unseres Orpheus-Projektes geschrieben. Renata ist mir Leib und Seele Poetin - als hätte sie nichts anderes. Die Gnade, Künstlerin zu sein, scheint alle anderen Widrigkeiten für sie aufzuwiegen. Renate wurde 1952 in Lodz geboren und Lebt in Wroclaw.

Sie ist mir Marek Sniecinski die Initiatorin des Orfeus-Projektes und lebt wie er in Wroclaw. Anläßlich des Orpheus-Treffens 2000 widmete ich ihr folgendes Gedicht.