MACIEJ CISLO

 

"ZEIT, DAS KINDERSPIELZEUG WEGZUTUN"

 

Ich glaube an das Elektron: ich habe es nie gesehen.

Einen lebenden vogel Kiwi habe ich nie gesehn,

Nicht den urstoff namens "radiolarit";

Ich war nie in Genf - aber ich glaube, Genf gibt es!

Gern vertraue ich dem zeugnis über dinge,

Von denen ich nicht abhänge.

Götter aber sind lebendiges brot;

Wer hungert, dem genügt nicht der glaube an brot!

Von Göttern will ich wissen: von göttlichem getreide,

Vom korn gewendet im todesschlaf,

Gewendet mit dem sieb zum tausendstenmal nach links ...

Götter, zahlreiches Eines, sie-es.

Denn in den menschen ist - sind sie vielleicht menschen,

in pflanzen - pflanzen,

Und in kristallen und kraftfeldern -

Abstrakte ziffern und rhythmus.

Der Glaube daran, daß der vater lebt

Und eines tages von fernen meeren zurückkehrt,

Genügte dem sohn des Ulysses, solange er kind war.

Doch Telemachos wächste heran

Und vor ihm erscheint die eulenäugige Athene

Mit dem ruf: "rüste das schiff, nimm zwölf ruderer

Und fahre los. zeit, das kinderspielzeug wegzutun."

 

Nachdichtung: Henryk Bereska

Maciej lernte ich '95 auf dem deutsch-polnischen Poetendampfer kennen. Während eines Spazierganges auf den Wiesen zwischen den beiden Oder-Armen stellte er sich auf eine der kleinen Brücken und las seine Gedichte. Es war eine der faszinierendsten Gesten, die mir auf diesen Treffen in Erinnerung geblieben sind.

Maciej hat mit Anna Janko eine Reihe ausgewählter Autoren der Weltliteratur herausgegeben. Sie bereiteten die Bücher gemeinsam vor, unter anderem im Autobus von Lublin nach Warschau während unserer deutsch-polnischen Begegnungen. Ich saß vor ihnen und fand es faszinierend, wie Maciej ihr unentwegt Gedichte vorlas, die er in sein winziges Notizbüchlein notiert hatte. Unter anderem auch Verse von Rilke - in deutscher Sprache.

Gedichte von Maciej sind unter anderem im Ostragehege (im Zusammenhang mit dem Orpheus-Projekt), dem Muschelhaufen 2001 und einigen von Karl Dedecius herausgegebenen Anthologien publiziert.

Maciej wurde 1947 geboren, lebt in Warschau und Mitglied des PEN.

Im Zusammenhang mit unserem Projekt "Orpheus - das Gespräch im Wort" habe ich ihm zwei Gedichte gewidmet

 

 

 

 

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