ALEKSANDER ROZENFELD

 

Du bist mir, Polen, ein ständiger Zahnschmerz

der Geruch deines Mundes sticht mir in die Lunge

entferne ich mich von dir

sehe ich deutlicher

was mein Wesen bedroht.

Was wird uns geschehn in nächster Zeit ?

Ich weiß - und dieses Wissen ist neu -

daß ich im äußersten Lauf deine Wege berühre.

Zeuge wurde ich fremder Tränen

und kannte das eigene Weinen.

Mir erstirbt nun die Sprache

in der Ferne, du weißt -

eine neue Frau lernte ich kennen

Sehnsucht ihr Name

ich sehe sie an ohne Vertrauen,

geschminkt ist sie und taktlos zieht sie mich an sich,

sie nährt die Erinnerung und raubt mir den Schlaf.

Außer ihr ist mir alles fremd, POLEN

DU BIST MIR DAS SCHLECHTE GEWISSEN

trotzig rufe ich dich, immer noch, und du

bleibst du mir so fern ?

Israel 1984/Lublin 1987

 Nachdichtung: Dieter Kalka

Es gibt einen polnischen Witz: Treffen sich zwei Jumbo-Jets in der Luft. In welchem sitzt Rozenfeld? Antwort: in beiden.

Rozenfeld ist ein Tausendsassa. Ich lernte ihn '92 bei meinem ersten Lublin-Trip kennen. Damals stand in der Lubliner Tageszeitung: "Rozenfeld wurde gesehen". Wir suchten - und fanden - ihn in der Lubliner Bibliothek bei einer seiner zahlreichen Ex-Frauen. Als ich im Winter 2000 in Warschau war, kam ich an einem Cafe vorbei und sagte zu Anna Janko: "Ist das da drin nicht der Rozenfeld?". Er war es. Auf dem Tisch lag sein Handy. Er erzählte, daß er dabei sei, sein auflagenstärkstes Buch zu verfassen. Startauflage 100.000. Auftraggeber: die polnische Telekom. Er hatte inzwischen über zehntausend Zloty Schulden wegen Vieltelefoniererei und vereinbarte mit der Marketingabteilung den Deal, daß, solange er sein Buch mit Telefon-Anekdoten verfasse, ihm sein teures Spiezeug nicht weggenommen werde.

Rozenfeld selbst ist eine Legende und es gibt wenige Polen, die ihn nicht kennen. Mitte der 80er emigrierte er nach Israel. Dort hielt er es nicht lange aus. Er bekam (als Jude!) ein Stipendium im Vatikan, doch er wollte nach Polen zurück, was er irgendwie damit erreichte, daß er Jaruzelski mit seinen schrägen Argumentationen ein Einreisevisum abrang. Nach der Wende hatte er eine eigene Rundfunksendung im Warschauer Radio, danach arbeitete der ehemalige Antikommunist in Kwasniewskis Staatskanzlei. Inzwischen ist er nach Westpolen in die Provinz verzogen. Hanna Krall sagte über ihn, man solle ihn behutsam in eine Vitrine stellen - als letztes erhaltenes Exemplar eines echten Jidden. Siehe auch meinen Essay "Lublin - das Tor zum Osten". Texte von ihm sind u.a. im Muschelhaufen und in der Anthologie "Nach den Gewittern" publiziert. Zuverlässige Angaben über seine Biografie sind kaum recherchierbar - selbst in polnischen Schriftstellerlexikas sind nur Anakdoten über ihn zu finden. Aber mit ziemlicher Sicherheit ist er 1941 in Tambow (UdSSR) geboren, kehrte nach dem Krieg mit der Familie nach Polen zurück und studierte in Lublin Philologie an der Katholischen Universität.

Als Persönlichkeit hat mich Alexander immer wieder beeindruckt. Bei all seiner Hyperaktivität ist er keiner, der andere übervorteilt, sondern, der einen mit teilhaben läßt. Rozenfeld versteht es, als Schriftsteller Widersprüche sichtbar zu machen - eher noch: ER ist der Widerspruch. In Rußland geboren, als Jude, wuchs er in Polen auf. Er liebt die Menschen und er ist einer, der nicht nur unterhalten kann, sondern - das habe ich selten getroffen - in dem auch ein großes Stück Güte wohnt.

 

 

 

 

 

 

 

 

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