Auszug aus dem Feature:

Spiegelbilder zweier Sprachen

 

A: Vom Fenster aus sehen wir das Völkerschlachtdenkmal. Jeden Tag anders. Bei Sonnenwetter ist es goldbraun, manchmal grün; wenn es sich bewölkt graubraun, der Regen schwärzt es; im Nebel verschwindet es. Im Sonnenuntergang ertrinkt es in Purpur, aber nachts wird es silberweiß beschienen. Im Teich unter dem Denkmal schwimmen Enten.

D: Einer der Enten war ich zum Greifen nahe. Sie bemerkte mich zwar, aber sie rührte sich nicht. Nur ihr Erpel schnatterte aufgeregt.

A: Eines Abends hing ein Transparent dort: „Nie wieder Faschismus". Am nächsten Tag waren die Straßen gesperrt, es erschien eine Armee Polizisten und unter dem Denkmal fand eine Massenversammlung von Nazis statt. Wie viele andere Leute, die in der Gegend wohnten, gingen wir es uns ansehen... Mit dabei waren auch Edith und Christian, unsere Freunde. Edith ist Fotografin. Wagemutig trat sie in die Rotte der Glatzen, um ein paar Bilder zu schießen. Sie kehrte zurück, bleich und grün wie die Linden ringsum, so sehr war sie erschrocken von dem Anblick einer alten Frau, die inmitten der Skins stand und mit Wucht Volkslieder sang.

D: Der Spuk verliert, ist man dabei, seinen Schrecken. Es war einfach Treiben lächerlich. Die Medien meldetenn sechstausend Teilnehmer - vielleicht waren es tausend. Für eine Handvoll Glatzen sind siebentausend Bullen unterwegs. Der Einsatz kostet dreißig Millionen. Die Medien haben ihre Schlagzeilen

A: Christian erklärte, daß die schwarz-weiß-roten Flaggen das Reichskriegsbanner von 1871 sind. Auch andere Fahnen waren zu sehen: eine schwarze mit dem Emblem von Sichel und Hammer und eine mit aufgerichteter geballter Faust.

D: Wir besichtigen die Wawelkathedrale in Krakau. In der Krypta sind alle polnischen Könige, die wichtigsten Dichter, Feldherren und Komponisten begraben. Während der Fremdherrschaft hatte sich diese Gruft als nationales Zentrum herausgebildet: alle Geister an einem Ort. Ich komme ich aus der Kirche. Die Sonne sticht mir in die Augen.